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2017 – aus der Serie: "Wie ich überhaupt zum Rennradfahren kam und was daraus wurde…!"

Aktualisiert: 6. Juli 2020

Es war am 18. Juni 2017: Ich bekam eine WA von meinem Studienfreund Frank „Sind bei 175, 110 to go“. Wie sich nachher herausstellte, war er in Norwegen bei einem Radrennen über insgesamt 285km. Das hat etwas ganz Besonderes in mir ausgelöst.

Genau diese kurze WA sollte meine sportliche Fahrrad-Zukunft komplett verändern. Denn genau 1 Woche nach dieser WA bin ich in das nächste Fahrradgeschäft und habe mir das erste Rennrad meines Lebens gekauft. Ich hatte vorher noch nie auf einem Rennrad gesessen.

Und dann ging es los: Zuerst etwas üben, denn ein Rennrad ist schon was anderes als ein herkömmliches Fahrrad. Vor allem diese dünnen Reifen und die etwas steife und verkrampfte Sitzposition am Anfang.

Dann die ersten 50 km, was für ein Gefühl: 50 km mit einem Fahrrad…! Wahnsinn, dachte ich. Aber gleichzeitig dachte ich, da geht noch mehr.

Also 3-stellig war mein nächstes herausforderndes Ziel - wie man in der Rennrad-Szene sagt - mein erster 100-er. Ich suchte mir eine attraktive Strecke und legte los. Auf den ersten 20, 30 km konnte ich mir nach wie vor nicht vorstellen, wie ich 100 km am Stück zusammen bekommen sollte. Aber nach gut 4,5 Stunden war es soweit, der Tacho zeigte die magischen 100 km an. Wahnsinn, dachte ich – zum ersten Mal 3-stellig - meine ersten 100 km auf einem Fahrrad, was sonst schon mit dem Auto eine Herausforderung sein kann.

Aber wenn doch 100 km möglich sind, da muss doch auch mehr gehen. Gesagt getan. Vor meiner Haustüre verläuft eine alte Bahntrasse namens „Vennbahnweg“ und sie ist zufälligerweise von meiner Haustüre bis zum Ende in Luxemburg 100 km lang. Das wäre doch genau der richtige Test für einen 200-er.

Also los: Am 2.7.2017 war es soweit, um 6:46 Uhr ging es bestückt mit vollen Getränkeflaschen und ein paar Müsliriegeln auf die Bahn. Die ersten km liefen hervorragend, voller Adrenalin waren die 100 km bis zum Ende des Vennbahnwegs in Troisvierges relativ schnell erreicht.


Schnell ein paar Kalorien zu mir nehmen in Form einer ordentlichen Pizza und wieder zurück. Ich fühlte mich zwar immer noch fit, aber bei dem Gedanken, das Ganze wieder zurück zu fahren, wurde mir ehrlich gesagt schon ein wenig mulmig. Aber egal, Gedanken kurz ausschalten und los…!

Zu dumm, dass ich doch die Haftung der dünnen Reifen etwas überschätzt hatte und kurz nach meinem Wendepunkt in Troisvierges heftigen Bodenkontakt hatte. Ganz nebenbei habe ich auch gelernt, dass es sehr unglücklich ist, wenn man nicht aus den Klickpedalen rauskommt. So raffte es mich in einer Linkskurve heftig auf die linke Seite und mit voller Wucht bremste ich mit meiner Schulter und meinem Oberschenkel. Shit!

Also nun mit einer heftigen Schürfwunde am Oberschenkel, einer schmerzenden Schulter und einer zerrissenen Jacke ab nach Hause. Es waren auch „nur“ noch 85 km. Und das bei meiner ersten großen Ausfahrt. Zu allem Übel begann es nun auch noch zu regnen. Ich werde diese Fahrt in meinem Leben nicht mehr vergessen.

Schmerzen am linken Oberschenkel und dem rechten Knie, völlig durchnässt und mittlerweile komplett durchgefroren, darüber hinaus leere Trinkflaschen und keinen einzigen Müsliriegel mehr.

Nun hieß es Disziplin walten lassen und einfach durchhalten. Nach 9:49:51 Stunden reiner Fahrzeit und 224,8 km inklusive einiger Umwege kam ich total erschöpft, aber dann doch auch extrem stolz wieder zu Hause an.

Wahnsinn, dachte ich – über 200 km mit dem Fahrrad, allein mit meiner Muskelkraft. Irre!


Und nun ging es eigentlich erst richtig los. Jetzt hieß es aus den Fehlern dieser ersten großen Ausfahrt zu lernen. Mehr üben (vor allem das Ausklinken der Radschuhe vor dem Anhalten), mehr trainieren, vorsichtiger fahren, besser vorbereiten, mehr trinken und auf guten Nachschub mit Kohlenhydraten achten. Und eine Kleidung wählen, mit der ich vor jedem Wetter gut geschützt bin. Denn anders als beim Laufen, kühlt der Körper unglaublich schnell aus und das ist nicht gut, das weiß ich jetzt.

Wie es die Zufälle so wollen (es gibt keine Zufälle!), zog ich plötzlich auch andere Rennradfahrer an und es bildete sich eine tolle Rennrad-Truppe.


Unsere WhatsApp Gruppe nannten wir passenderweise „Radeln für Irre“.

Und ab jetzt hieß es samstags- oder sonntagsmorgens Treffpunkt zwischen 5 und 6 Uhr und ab aufs Rad. In der Gruppe zu fahren macht natürlich noch mehr Spaß. Und ein 100-er (100 km) mit einer coolen Truppe geht ganz schnell rum. Miteinander Quatschen und Windschatten-Fahren ist nicht zu unterschätzen.


Samstagsmorgens um 9:30 Uhr vor der eigenen Haustüre zu stehen mit frischen Brötchen in der Hand und schon 100 km auf dem Fahrrad-Tacho zu haben ist schon ein ganz besonderes Gefühl. Einfach herrlich so in das Wochenende zu starten.

Also vom Rennrad-Virus infiziert, ging es nun stetig aufwärts. Die Strecken machten mir immer weniger aus und die Schmerzen (an ganz bestimmten Stellen) wurden auch immer weniger. Neben der spürbaren Steigerung der Fitness ist aber das faszinierendste eigentlich die Veränderung der Vorstellungskraft. Wenn am Anfang noch 50 km unvorstellbar waren, dürfen es jetzt „mal eben“ 100 km an einem Sonntagmorgen vor dem Frühstück sein. Ein großartiges Learning, was die Vorstellungskraft mit uns macht.

Übrigens, auf meine Frage hin am Anfang an meine Rennrad-Kollegen, wie das mit den Sitzschmerzen sei, bekam ich die schlichte Antwort: „Daran gewöhnst du dich!“. Und sie hatten Recht. Daran gewöhnt man sich viel schneller als gedacht. Stimmt also wirklich.

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